6. November 2015: Der Anruf

 

Ich sitze am Schreibtisch. Das Telefon klingelt. Die Nummer kenne ich nicht. Ob er das ist?

 

Ja, er ist es! Und es ist ein Anruf, den ich gleichermaßen ersehne wie auch fürchte. Schließlich gibt es wohl kaum etwas Großartigeres für eine hoffnungsfrohe Autorin, als von einem Agenten angerufen zu werden! Andererseits denke ich, dass man bei so einer Sache vermutlich auch Vieles falsch machen kann.

 

Doch ich habe nicht lange Zeit darüber nachzugrübeln, was für Fettnäpfchen ich erwischen könnte, denn ich kann es nicht ewig klingeln lassen. Also hebe ich ab und kurze Zeit später stecken wir beide, der freundliche Agent und ich, kopfüber im Austausch über meinen zweiten Roman. Er berichtet von seinen Eindrücken beim Lesen und erläutert mir, wo und warum Modifikationen am Manuskript sinnvoll wären. Gleichzeitig erklärt er mir aber auch, was er an meinem Stil schätzt und was ich unbedingt beibehalten soll. Dazu gibt er mir ein paar wichtige Tipps, die von nun an in meine schriftstellerische Arbeit einfließen werden - das weiß ich ganz sicher!

 

Normalerweise bin ich nicht der Typ, der es darauf anlegt, Ratschläge von anderen Leuten zu bekommen. Und überzeugen lasse ich mich auch nur selten - meistens tue ich höchstens so. Aber die Hinweise, die ich heute erhalte, machen Sinn. Hier kann ich etwas lernen - das wird mir schon nach den ersten Sätzen klar. Eigentlich ist das ja auch kein Wunder, denn immerhin spreche ich mit einem waschechten Experten aus der Literaturszene! Doch obwohl dieser Buch-Profi eine so beeindruckende Vita hat (Merke: Nicht nur Blind Dates googelt man, bevor man sie zum ersten Mal trifft!) und er in der kurzen Zeit unseres Telefonates so unglaublich viele wertvolle Tipps an mich weitergibt, vermittelt er nicht ein einziges Mal den Eindruck, als würden wir uns nicht auf Augenhöhe begegnen. Respektvoll, höflich und kompetent führt er das Gespräch und ich fühle mich ernst genommen.

 

Obwohl wir nicht einmal darüber gesprochen haben, ob der Agent mich beziehungsweise mein Manuskript vertreten will oder nicht (ich hatte nicht gewagt, direkt danach zu fragen) ist für mich natürlich klar, dass ich alles daran setzen werde, den Roman so gut ich kann zu überarbeiten. Da habe ich Einiges vor mir! Mit Feuereifer stürze ich mich in die Arbeit. Wer weiß: Vielleicht bekomme ich doch noch eine Chance, eines meiner Werke bei einem richtigen Verlag zu veröffentlichen?

 



Andere träumen von einem Märchenprinzen, ich von einem Agenten!