7. November 2014: Mein Leben als Roman

 

Vor ein paar Tagen hatte ich beim Joggen eine großartige Idee. Ich werde ein Buch schreiben! Das wollte ich schon immer! Nur ist es mir bislang nie gelungen. Aber nun, während ich im Licht der bald untergehenden Sonne auf einem Feldweg, vorbei an fast entlaubten Bäumen und Sträuchern, durch die Pampa laufe und versuche, nicht panisch zu werden, weil mir einfach nicht einfallen will, wie es in meinem Leben weitergehen soll, reift die Gewissheit: Jetzt oder nie soll es sein! Kann es eine bessere Gelegenheit geben, einen lang gehegten Lebenstraum zu verwirklichen, als diese Zeit der mehr oder weniger unfreiwilligen Ruhe?

 

Da ich allerdings weiß, wie schwer es mir bislang fiel, einen Roman in Angriff zu nehmen, entscheide ich schon bald, über etwas ganz Alltägliches zu schreiben, um das Potenzial des Scheiterns so gering wie möglich zu halten. Irgendein ganz normales Thema soll es sein, nichts Konstruiertes oder Abgehobenes; nichts, was aufwändige Recherchen erfordert und schon gar kein ambitioniertes Expertenwissen! Ich befürchte, dass ich es dann auch gleich lassen könnte, weil ich mich innerhalb kürzester Zeit selbst entmutigt hätte. Nein, ich will über etwas aus dem Leben Gegriffenes schreiben, etwas, worin ich mich bestens auskenne. Da sind die Erfolgschancen doch gleich viel größer! Und was liegt da näher, als eigene Lebenserfahrungen zu verarbeiten?

 

Die Sache hat nur einen Haken: Ich soll über mich schreiben? Um Himmels Willen, das geht nicht! Wer soll denn so etwas lesen? Ganz abgesehen davon, dass ich niemandem gestatten würde, es zu lesen, denn es wäre ja meine Geschichte und die geht keinen etwas an!

 

Andererseits scheint es mir kein schlechter Gedanke zu sein, mit meiner Vergangenheit ins Reine zu kommen und abzuschließen. Vielleicht, so überlege ich, fehlt genau das, damit ich etwas Neues beginnen kann? Vielleicht werde ich, wenn ich dieses Buch geschrieben habe, wissen, wie es mit mir weitergeht?

 

Dafür spricht, dass ich immer noch sehr deutlich spüre, dass all das, was vermutlich über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, zu dem gesundheitlichen Einbruch führte, noch nicht verwunden ist, nur, weil ich jetzt keinen Job mehr habe. Meine Gesundheit ist immer noch ein fragiles Etwas, obwohl es mir schon viel besser geht. Über den Berg bin ich jedoch noch lange nicht!

 

Also was nun?

 

Schließlich entscheide ich mich dafür, weil ich einerseits nicht über mich schreiben will, es andererseits aber sinnvoll finde, um mich zu sortieren, einen Roman zu konzipieren, der so ähnlich ist wie mein Leben. Alles ist anders, manches kommt hinzu, anderes fällt weg und doch ist das, was mich beschäftigt, darin enthalten.

 

So mache ich das!

 

Es wird zu einem festen Ritual, dass ich mich morgens als Erstes in meinem Arbeitszimmer mit meinen Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen auseinandersetze und Stichpunkte notiere. All das, was mir bemerkenswert erscheint, findet danach seinen Niederschlag in meinem ersten Manuskript. Auf diese Weise räume ich in mir auf und es ist ganz erstaunlich, was für Erinnerungen hochkommen und angesehen werden wollen, obwohl sie so hässlich sind, dass ich sie aus gutem Grund all die Jahre nicht sehen wollte! Aber es muss sein. Ich spüre es ganz deutlich, und mein Körper sagt es auch unmissverständlich: Der Scheiß muss raus!

 

Während ich diesen Roman schreibe, fällt mir auf, dass es durchaus hilfreich ist, über eine Hauptfigur zu schreiben, die nicht ich selber bin, sondern die eine fiktive Person ist, die nur zufälligerweise ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie ich. Auf diese Weise gelingt mir eine distanzierte Sicht auf mein eigenes Leben, wodurch sich manches klärt. Außerdem hilft es, mich mit dem Gewesenen auszusöhnen – und vor allem mit mir selbst.

 

Laufen hilft so manchen Ideen auf die Sprünge.